Pflanzenbekämpfung als Politikum

Von der Politik wünschen wir uns in allen (!!) Bundesländern eine konsequente Durchführung der Maßnahmen aus dem Aktionsprogramm Ambrosia 2007, wie es von der Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft vorgelegt wurde. Es ermöglicht eine einheitliche Stoßrichtung in der Vorgehensweise und wird sich mittel- bis langfristig als sinnvoll erweisen. Saatgutkontrollen und Qualitätsansprüche an Importsaaten (incl. Vogelfutter) stehen hier für Deutschland an erster Stelle der politischen Forderungen, die nicht einseitig den Landwirten aufgebürdet werden dürfen. Qualitätskontrollen von Vogelfutter und eine Deklarierungspflicht für dessen Zusammensetzung ist eine weitere Aufgabe. Auch im Sinne des Verbraucherschutzes muss es möglich sein, das Vogelfutter frei von Ambrosiasaaten zu halten, zumal wir oftmals nicht gewährleisten können, dass diese zusätzlich aus den Anbaugebieten mit Herbiziden oder gar Pestiziden belastet sind und deshalb der einheimischen Vogelwelt eher schaden als nützen.

Damit die durchaus sinnvolle winterliche Vogelfütterung nicht mehr zur Verbreitung der allergenen Invasionspflanze beiträgt, wären künftig Kontrollen der Inhaltsstoffe bei der Produktion von Meisenknödeln und Vogelstreufutter sinnvoll. (Foto: Thomas Grimm)

Kartierungsmaßnahmen mit einem flächendeckenden Monitoring unserer einheimischen Flora sind eine weitere unabdingbare Forderung. Kürzungen der Finanzmittel, die diesbzgl. In den letzten Jahren stattfanden, erweisen sich schon jetzt als fatal. Nur mit den Einsichten botanischer Zusammenhänge vor Ort können sinnvolle Maßnahmen entwickelt werden, die einen möglichen steuernden Umgang mit Invasionspflanzen aufzeigen und beispielsweise eine nachhaltige Begrenzung der Ambrosiavorkommen in Deutschland für die Zukunft ermöglichen.
Die Presse kann ihrerseits durch fachkundige Aufklärung und das Aufzeigen von botanischen und biologischen Zusammenhängen zu einem vertieften Verständnis beitragen, das seinerseits erst eine Bekämpfung der Pflanze aus breiten Reihen der Bevölkerung sinnvoll werden lässt. Mit Panikmache und Hetzkampagnen gegen das „Höllenkraut“, wie wir sie 2006 erlebt haben, ist niemandem gedient.
Seit März 2007 hat das Bundesverbraucherministerium die Bundesländer informiert, dass die Beifuß-Ambrosie im Rahmen des Pflanzenschutzgesetzes auch in Deutschland bekämpft und ihre weitere Ausbreitung mit Nachdruck eingedämmt werden soll. In der Strategieplanung der biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft sind offensichtlich auch gebündelte Erfahrungen aus unseren Nachbarländern Schweiz und Frankreich eingeflossen. Denn – wie eingangs aufgezeigt – Ambrosia konfrontiert uns nicht heimtückisch über Nacht mit neuen Problemen. Auch das gefährliche Allergiepotential der Pflanze ist nunmehr seit mindestens 50 Jahren bekannt. Die Abteilung Medizin-Meteorologie des Deutschen Wetterdienstes hat 2006 im Rahmen eines Ambrosia-Projekts mit einer detaillierteren Auswertung ihrer Pollenfallen im Hinblick auf Ambrosia artemisiifolia begonnen. In einigen Messstationen lassen sogar die archivierten Präparate noch rückwirkende Aufschlüsse über das Pollenflugverhalten von Ambrosia in den letzten zehn Jahren zu. Der deutsche Polleninformationsdienst hat Ambrosiapollen in seinen Pollenwarndienst aufgenommen, Allergologen und einschlägige Pharmahersteller haben die Abklärung der Empfindlichkeit gegenüber Ambrosia verstärkt in ihre Testprogramme aufgenommen und Medikationen in großer Bandbreite stehen zur Verfügung - last not least wegen langjähriger Erfahrungen mit der Pflanze in deren Ursprungsheimat (in den USA und Kanada ist sie seit Jahrzehnten das „Allergen Nr.1“). Trotzdem warnt die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst vorerst vor einer unnötigen und nicht begründeten Verunsicherung der Allergiekranken in Deutschland unter Hinweis auf Ambrosiapollen (Prof. Bergmann, 2006).
Eine Kooperation, die die Untersuchungsergebnisse von den (meist ehrenamtlichen!!!) Mitarbeitern der botanisch fundierten Kartierung und die Messergebnisse aus den Pollenfluganalysen abgleicht, wird uns zum Jahresende 2007 aufzeigen können, ob in Deutschland tatsächlich schon Bestand bildende Ausbreitungen der Pflanze stattfinden, die auch für Allergiker gefährlich werden können, oder ob wir in 2006 lediglich dem Horrorszenario einiger Schlagzeilendichter aufgesessen waren.

Rotkehlchen (Erithacus rubecula) am Meisenknödel einer Vogelfutterstelle im Gelände des Ohlsdorfer Friedhofs in Hamburg, dem größten Parkfriedhof der Welt. – Hier wie anderenorts ist zu wünschen, dass die Bevölkerung künftig bedenkenlos der Vogelfütterung nachgehen kann ohne die Ausbreitung der allergenen Beifuß-Ambrosie zu fördern.
(Foto: Christa Palma)

Und nicht zuletzt können wir im Zuge einer gesamteuropäischen Entwicklung – wie oben aufgezeigt - vieles von unseren Nachbarn lernen. Die Aufklärungskampagnen, wie sie in Frankreich und der Schweiz im Verbund von Allergologen, Pollenflugdiensten, Stadtentwicklungsplanern, Landwirtschafts- und Naturschutzverbänden und vielen anderen Beteiligten in den Ballungsgebieten der Beifuß-Ambrosie entwickelt wurden, können weiterhin Beispielcharakter für das weitere Vorgehen in Deutschland haben. Dazu wäre es wünschenswert, wenn sich neben Bayern und Baden-Württemberg möglichst bald auch weitere Bundesländer an einer wissenschaftlich fundierten Beobachtung zur Ausbreitung der Beifuß-Ambrosie beteiligen und ihre Anstrengungen im Aktionsprogramm Ambrosia 2007 der biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft koordinieren.

 

Copyright für den Text: Gerhard Höfer

Stand der Recherche für diesen Aufsatz: 08.08.07

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